Welcher Tipp wird das nur sein? Das frage ich mich auch und entschuldige mich an dieser Stelle dafür, euch mit dieser Clickbaiting-Überschrift geangelt zu haben. Fakt ist nämlich: Gute Vorsätze fürs neue Jahr braucht kein Mensch. warum zum Teufel tun wir uns den Stress des Scheiterns also alle 365 Tage aufs Neue an? Ein Erklärungsversuch.
Da ist es wieder, das Jahresende. Der perfekte Zeitpunkt, um persönliche Erfolge und grandioses Scheitern gegeneinander aufzuwiegen und sich zu überlegen: War das nun ein gutes Jahr oder ein verdammt mieses? Ich komme in bedrückender Regelmäßigkeit zu dem Schluss, dass die vergangenen Monate mal wieder keine bahnbrechenden Veränderungen mit sich gebracht haben. Und wenn, dann nur in seltenen Fällen gute. Deshalb läuft mein Jahr meist so ab:
Im Frühjahr hadere ich noch mit dem holprigen Start ins neue Jahr hadere. In den Sommermonaten versuche ich mich darauf zu besinnen, was ich während der schönsten Jahreszeit alles ausprobieren und erledigen wollte. Meine Pläne bleiben in Sachen Umsetzung meist auf der Strecke. Dann kommt der Herbst. Der ist mittlerweile ja auch noch recht warm und von schönem Wetter gesegnet. Also könnte man Ziele vom Sommer ja prinzipiell noch nachholen.
In einigen Punkten gelingt mir das. Etwa wenn es darum geht, noch eine Runde mit dem Paddelboot auf einem See zu drehen. Das ist dann aber schon das höchste der Gefühle in Sachen Organisation. Sämtliche andere Pläne, wie etwa den ganzen Sommer auf der Dachterrasse einer meiner besten Freundinnen zu verbringen und Feierabendkaltgetränke zu schlürfen, verpufften im Nichts.
Je später im Jahr, desto größer die Enttäuschung
Spätestens wenn der Herbst vorbei ist, bringen Kälte und Dunkelheit nicht nur den Winter, sondern auch eine Sinnkrise mit sich. Wieder nichts geschafft in diesem Jahr. Oder was geschafft, aber zum Ende des hin so dermaßen versaut, dass es sich quasi selbst von der Liste der Erfolge streicht. Nehmen wir meine Teilnahme an der Bridgestone-Kampagne “Verfolge deinen Traum. Egal was kommt” an der Seite von Olympiasieger Fabian Hambüchen. Knaller war das.
Was es mit mir gemacht hat, Teil des Team “Heimliche Sieger” zu sein, war erschreckend phänomenal. Ich habe mir selbst mal wieder den Kopf zurechtgerückt. Hatte ein Ziel, auf das ich hinarbeiten konnte. Mit dem Ergebnis, dass ich zu allen wichtigen Trainings verletzt war – und beim großen 10-Kilometer-Lauf-Finale gar nicht erst dabei aus gesundheitlichen Gründen. Solche Beispiele könnte ich aus allen Lebensbereichen anführen: Freunde, Familie, Job, leidenschaftliche Hobbys.
Gute Vorsätze fürs neue Jahr – warum tue ich mir das eigentlich an?
Was lerne ich also daraus? Gute Frage! Normalerweise habe ich spätestens im November eine Liste fertig mit Dingen, auf die ich mich im darauffolgenden Jahr bereits freue. Termine, die es abzustimmen gilt, damit sie alsbald ihren Weg in den Kalender finden. Fest eingetragen. Es gibt aber auch Termine, auf die ich keinen Einfluss habe, vor denen ist mir Angst und Bange. Für diese hoffe ich dann, dass wir etwas Glück haben werden damit – wie etwa mit der Platzvergabe der Kindergartenplätze in München. Vermutlich gewinne ich noch im Lotto, bevor ich einen Platz in unserer Wunscheinrichtung in der Nachbarschaft bekomme.
Was also lerne ich denn nun aus meinen hohen Erwartungen an mich selbst und die Welt um mich herum? Dass es oftmals nicht in meiner Hand liegt, ob etwas gelingt. Und wenn es in meiner Hand liegt, darf ich dennoch nicht vergessen, dass auch mein Tag nur 24 Stunden hat. Und einen Job. Und eine Familie. Haushalt mit Einkäufen, Wäsche und Putzen nicht zu vergessen. Ach ja, und die Dates mit anderen Müttern, damit meine Krawallis ihre Freunde treffen können. Wenn wir stattdessen nicht gerade irgendeinen Arzt- oder Vorsorgetermin wahrnehmen müssen.
Geht nicht, gibt’s nicht. Oder …?
Ups, dabei beinahe meine eigenen Freunde vergessen! Gut, die würde ich natürlich gern ab und zu mal sehen. Weiß nur nicht, ob das noch auf Gegenseitigkeit beruht, wenn ich Termine ohnehin ständig verschieben oder absagen muss. Weil Kind krank. Oder ich selbst. Weil irgendwem ein Pups quer sitzt, sich kurzfristig der Heizungsableser gemeldet hat, das Auto kaputt gegangen ist, der Babysitter absagt oder der Herr des Hauses zum Herr Heute-doch-außer-Haus wurde. Oder ich – völlig verrückt! – tatsächlich noch was für die Arbeit erledigen musste.
Jetzt habe ich beinahe die Großeltern vergessen, die ohnehin das ganze Jahr über traurig sind, weil sie ihre Enkel nie sehen. Nie, natürlich nicht. Besuche alle vier bis sechs Wochen sind nun mal auf nicht häufig. Stimmt schon. Daran erinnern sich höchstens die, die jeweils vier Stunden Autofahrt hin und zurück hinter sich gebracht haben mit einem Kind, das Autofahren aus dem tiefsten Innern seines Magens heraus verabscheut.
Höchste Zeit für gute Vorsätze für das neue Jahr 2021 …
Also, auf zu den guten Vorsätzen fürs neue Jahr 2021! Womit beginne ich? Ich werde die Großeltern öfter besuchen. Damit die Kinder wenigstens die sehen, wenn ihre eigene Mutter schon kaum Zeit für sie hat. Außerdem werde ich regelmäßige Dates mit all meinen Freunden einfordern. Quasi Serientermine. Da freuen die sich bestimmt auch, so kann jeder sein Jahr von vornherein besser planen. Außerdem sollten wir nicht vergessen, bis März eine Hütte für Silvester 2021 zu buchen. Sonst wird das zu knapp. Weihnachtsgeschenke kaufe ich nächstes Jahr am besten auch schon im Frühjahr, dann wäre das wenigstens erledigt und der Stressfaktor damit minimiert.
Außerdem wollte ich schon lange mal wieder richtig verreisen. Thailand wäre toll. Oder Bali. Oder Garmisch-Patenkirchen, sollte es sich zeitlich besser ausgehen. Da spielen auch meine liebsten Alpenkrimis, muss also schön dort sein. Das bringt mich drauf: Ich wollte längst mal wieder ein gutes Buch lesen. Oder zwei. Eines davon könnte auch gern ein Lehrbuch sein für Spanisch oder Italienisch. Das schiebe ich schon seit Jahren vor mir her, eine weitere Fremdsprache zu erlernen. Dafür wäre abends wunderbar Zeit, wenn die Große im Bett ist.
Diesmal hat das Jahr bestimmt mehr als 365 Tage
Wenn ich das unter der Woche abends schaffe, habe ich an den Wochenenden gleich viel mehr Zeit. Mal im Katalog der VHS blättern, ob da was für mich dabei wäre. Vielleicht ein Kompaktkurs über ein ganzes Wochenende? Oder besser einzelne Samstage verteilt über mehrere Wochen? Mal schauen, was dabei ist. Töpfern vielleicht. Oder ein Malkurs, sowas wollte ich längst mal wieder machen, nachdem meine letzten Malkurse schon wieder einige Jahre zurückliegen. Haben mir damals sehr viel Spaß gemacht, wäre sicherlich ein toller Ausgleich zum stressigen Alltag.
Sollte sich wider Erwarten nichts Passendes finden, muss ich ja aber nur auf meine Liste mit Hobbys schauen, die ich längst mal ausprobieren wollte: Stand-up-Paddeling, Langlauf, mal mit einem Ultraleichtflugzeug fliegen. Tennis habe ich auch schon lange nicht mehr gespielt. Wird höchste Zeit. Wozu hat man eine Sport-Ausrüstung, wenn man sie nie benutzt? Eben. Dann hieße es also nur noch, Schwestern-Wochenende mit meinen beiden Hübschen zu planen, Mädels-Wochenende im Wellnesshotel und eine Kurzreise nach Dubai mit einer meiner Liebsten.
Schluss mit guten Vorsätzen!
Ich glaube, mein Körper beginnt gerade damit, Adrenalin auszuschütten. Allerdings nicht, weil ich all diese Termine, Events, Highlights und Verpflichtungen kaum erwarten kann, sondern weil ich mich schon jetzt selbst unter Druck gesetzt fühle. Von mir selbst. “Ja, aber die anderen setzen mich ja auch unter Druck, weil sie ja Zeit mit mir verbringen wollen!”, ruft es irgendwo tief in mir drin. Liebe Stimme, wer formuliert die Erwartungen an dich? Du selbst? Oder wirklich die anderen? Wenn es andere sind, wer ist es und warum tun sie das?
Sind es Menschen, die dich lieben und dir nahe stehen und deshalb verpflichtet sind zu verstehen, wenn du auch mal eine Pause brauchst? An dich selbst denken musst, zum Wohle deiner Selbst? Wenn du welche hast, auch zum Wohle deiner Kinder? Oder sind es Menschen, die Erwartungen an andere stellen, weil es für sie zur Gewohnheit geworden ist und denen du in keinster Weise Rechenschaft für irgendwas in deinem Leben schuldig bist?
Was willst DU wirklich?
Du allein bist es, der die Prioritäten für sein Leben setzt. Jeder, der dir etwas anderes erzählt, meldet einen Anspruch auf deine Person an, den er nicht hat. Dieses Jahr habe ich eines gelernt: Wenn ich nicht selbst auf mich achte, auf meine Seele und mein Befinden, tut es niemand. Jeder hat das Recht auf sein persönliches Artenschutzprogramm, hat mir Mentalcoach Bruno Hambüchen gesagt. Also mache ich nichts mehr, das mir selbst schadet.
Dazu gehört auch, meine Liste mit guten Vorsätzen zusammenzuknüllen und in den Müll zu werfen. Besser noch, ich schreibe eine neue Liste. Eine Liste mit neuen guten Vorsätze für das neue Jahr. Auf dieser stehen folgende Dinge geschrieben:
- Mach nur noch Dinge, die dir Spaß machen oder von denen zu überzeugt bist
- Mach nur noch Dinge, die dir wirklich wichtig sind
- Nimm dir Zeit für dich und deine Liebsten
- Trenne dich von Menschen und Beziehungen, die dich belasten und dir nicht gut tun
- Vergegenwärtige dir, dass für dich nur eines wirklich zählt: Dass du gesund bist. Für alles andere finden sich Lösungen
- Nimm dir sonst bitte überhaupt nichts Konkretes für das neue Jahr vor
Ist die Liste schon wieder zu lang geworden?
Dann kürzen wir sie ab:
- Willst du das wirklich?
Das habe ich mir auf einen Zettel geschrieben. Der ist jetzt in meinem Geldbeutel. Was ich damit mache? Ich werde ihn immer dann rausholen, wenn ich wieder etwas plane. Planen will oder planen muss. Wenn ich mich gestresst fühle von Terminen oder anderen Menschen. Wenn mich irgendwas in den Wahnsinn treibt, mich verzweifeln lässt, mich neidisch macht, mich verführt oder sich mir aufdrängt als das tollste Irgendwas auf der ganzen Welt, ohne dass ich angeblich nicht mehr leben kann. Das sind meine guten Vorsätze fürs neue Jahr.
Kann ich die Frage auf dem Zettel dann ruhigen Gewissens mit “Ja” beantworten, wird das nächste Jahr in genau diesem Moment schon besser als jedes andere Jahr, das ich bislang hatte.
In diesem Sinne: Frohes Neues euch allen!
Ich, Nina, Jahrgang 1986 und Gründerin des Blogs “Ich mach dann mal Sport”, bin Zeit meines Lebens verliebt in Wort und Schrift. Jetzt nehme ich euch mit auf meine Suche nach Motivation und meinen Weg zu mehr Fitness.
Sehr schöne Herangehensweise. Aber irgendwie ist der Vorsatz keine guten Vorsätze zu machen auch schon eieder einer. Ein Teufelskreis…
Da hast du recht, es ist ein Teufelskreis. 🙂