Der innere Schweinehund ist ein fieses kleines Miststück, das sich alle Jahre wieder zum Jahreswechsel hin die Pfötchen reibt. Denn dann ist es wieder soweit: Die Menschheit geiselt sich selbst mit guten Vorsätzen. Ganz oben auf der Liste steht meist der Wunsch nach mehr Bewegung. Doch wie schaffen wir es, dass unsere Motivation für Sport nicht schon nach wenigen Wochen wieder den Bach runter geht?
Weil mich diese Frage jedes Jahr aufs Neue beschäftigt, habe ich mir eine Expertin gesucht, die gemeinsam mit mir Antworten darauf findet. Birgit Engert ist Coach für Ernährung, Bewegung und Mentales und kennt die wichtigsten Tricks, wie man auch ohne gute Vorsätze seinen Weg zurück zu mehr Bewegung findet. Vielleicht habt ihr Birgits Gastbeitrag hier im Blog über das Abnehmen ohne Hungern gelesen? Oder meinen Erfahrungsbericht mit ihrem Coaching-Tag zum Thema „Emotionales Essen“. Könnt ihr ja noch machen. 😉 Jetzt geht‘s aber erstmal darum, dass wir wieder genug Motivation für Sport finden!
Motivation für Sport: Eigentlich steckt sie schon immer tief in uns
Liebe Birgit, woher nehme ich denn meine Motivation für Sport?
Birgit Engert: Wir haben natürlich einen Bewegungsdrang, das kann man wunderbar bei Kindern beobachten. Bis sie in die Schule kommen, wollen Kinder rennen, spielen, Fahrradfahren, rumtoben und auf den Spielplatz. Bis man sie dann irgendwann festkettet an den Stuhl und sagt: “So, stillsitzen bitte.” Da fängt es bereits an, dass wir in unserem Bewegungsdrang unterdrückt werden, wir uns nicht mehr bewegen dürfen und es verkehrt ist, wenn wir nicht stillsitzen können. Da haben Kindern dann ganz schnell mal ADHS, obwohl sie vielleicht einfach nur ihren natürlichen Bewegungsdrang erhalten haben.
Wie können wir uns unseren Bewegungsdrang zurückholen?
Birgit: Je weniger wir uns im Alltag bewegen, je mehr geht dieser Bewegungsdrang verloren. Der typische Durchschnittsdeutsche, der mit dem Auto ins Büro fährt, in die Tiefgarage rein, mit dem Aufzug nach oben, sich an seinen Schreibtisch setzt, wenn überhaupt sich einen Kaffee und was zu Essen holt, mal aufs Klo geht und dann wieder nach Hause fährt – der schafft zu Fuß lediglich einen Kilometer am Tag. Einen Kilometer.
Das ist nicht besonders viel. Auf wie viel Bewegung ist unser Körper denn ausgelegt?
Birgit: Unser Körper ist eigentlich darauf ausgerichtet, 20 Kilometer am Tag zu laufen. Das sind also 19 Kilometer, die wir gehen könnten, weil unser Körper, unser Skelett und unser Muskelaufbau dafür gemacht sind. Früher war das ja auch so! Ganz früher, als wir noch jagen mussten und unser Essen vom Feld geholt haben. Bewegen wir uns aber nicht mehr so viel, führt das dazu, dass wir auch irgendwann gar keinen Bock mehr darauf haben. Ist so ja schließlich ganz bequem. Und so kommen wir in einen Rhythmus, der uns vom Auto in den Aufzug und dann auf die Couch transportiert und jede weitere Bewegung schlichtweg zu viel ist.
Wer es am Anfang übertreibt wird scheitern
Wie finden wir wieder zurück zur Motivation für Sport?
Birgit: Je öfter wir dieses Muster durchbrechen, und sei es nur mit winzig kleinen Aktionen, desto näher kommen wir wieder unserem natürlichen Bewegungsdrang. Ich nehme jetzt mal als Beispiel die absolute Couch Potatoe: Wenn dieser Mensch sich sowas von diszipliniert dazu entscheidet, ab 1. Januar wirklich dreimal die Woche ins Fitnessstudio zu gehen – also diesmal echt! – dann schafft er das genau eine Woche. Weil die Diskrepanz zwischen “gar nichts tun” und “dreimal die Woche ins Fitnessstudio” einfach viel zu groß ist. Die Bewegung ist viel zu viel, die Pulsfrequenz beim Training viel zu hoch, die Anstrengung viel zu hoch – und so kommt es, dass dieser Mensch nach Hause kommt und völlig fertig ist. Er bekommt Muskelkater und will nie wieder Sport machen.
Das sollte nicht Sinn der Sport-Sache sein.
Birgit: Sport und Bewegung sind dafür da, dass ich mich danach besser fühle. Nicht, damit ich mit hoch rotem Kopf schwitzend auf dem Sofa sitze und mir denke: “Das mache ich nie wieder.” Das ist nicht der Sinn von Bewegung! Wenn ich mir jetzt diese Couch Potatoe nehme und ihr sage: “Du, fang doch erst mal klein an. Nimm einfach mal die Treppe anstatt den Aufzug und das jeden Tag.” Dann schafft diese Person vielleicht schon mal zwei Kilometer Fortbewegung am Tag. Wenn sie das schafft, ist das nach einer Woche schon ein ganz schöner Erfolg. Dann lässt sich das Ganze steigern: “Steh’ doch einfach mal einmal in der Stunde auf. Einfach nur hinstellen und wieder hinsetzen”. Das tut bereits etwas für den Bewegungsapparat und sorgt dafür, dass wir nicht einrosten, sondern uns lieber bewegen. Als nächsten könntest du beim Telefonieren mal aufstehen und vielleicht etwas herumlaufen. Dann fährst du mal mit dem Fahrrad in die Arbeit. So integrierst du ganz langsam Bewegung in deinen Alltag. Das ist der erste Schritt raus aus der Faulheitsspirale.
Wer sich bewegt, findet schnell wieder Spaß an Bewegung
So dass es einem eigentlich gar nicht mehr bewusst negativ auffällt, dass man sich bewegen muss?
Birgit: Es darf dir ruhig bewusst auffallen, aber bitte positiv! Es gibt nichts Schöneres, als mit dem Fahrrad durch die Stadt zu fahren, die Umwelt richtig wahrzunehmen, die Vögel zwitschern zu hören, einen Bach fließen zu sehen … das sind so viele Eindrücke, die wir verpassen, wenn wir nur im Auto sitzen oder uns mit der U-Bahn fortbewegen. All das geht mehr und mehr verloren, wenn wir träger, fauler und gemütlicher werden. Das Laufband im Fitnessstudio ist nun auch nicht gerade das, was uns wieder näher zur Natur bringt und somit für ein Glückserlebnis sorgt. Deshalb bin ich eine absolute Gegnerin davon und sage: “Fang’ erst mal damit an, dich im Alltag zu bewegen!” Es reicht auch ein Spaziergang oder mal zu Fuß einkaufen gehen. Als es früher nicht anders ging, ging das doch auch! Vor allem kann man mit solch einfachen Dingen sofort mit der Umsetzung starten. Meist hab ich ja die Wahl, ob ich die Rolltreppe oder die normale Treppe nehme. Und du kannst jeden Tag aufs Neue sagen: “Ich fange jetzt an!” Du musst nicht auf den 1. Januar warten. Du brauchst noch nicht mal Sportschuhe oder Geld oder sonst etwas. Du gehst einfach mit deinen zwei Füßen vor die Tür und bewegst dich. Und je öfter man das macht und je mehr man zu Fuß schafft, umso schneller und besser kommt der natürliche Bewegungsdrang zurück.
Und wenn ich meine Motivation für Sport endlich wieder zurück habe?
Birgit: Dann kann ich mir immer noch überlegen: “Was würde mir denn Spaß machen?” Wenn es keinen Spaß macht, dann ist es nicht das Richtige! Der Eine geht lieber Laufen, der Andere Walken oder Schwimmen oder zum Yoga – Angebote gibt’s ja wie Sand am Meer. Hier sollte man auf jeden Fall auf seine Intuition hören und schauen, was einen überhaupt anspricht und welchen Sport man sich überhaupt als eigene Sportart vorstellen könnte. Dann sollte man sich jemanden holen, der sich damit auskennt, einen Trainer oder Experten. Damit man sich nicht gleich wieder verausgabt und am Ende keine Lust mehr auf Sport hat. Die meisten Laufanfänger laufen zum Beispiel in einem viel zu hohen Pulsbereich, der bei mir schon fast Marathon-Wettkampf-Tempo wäre. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste das dreimal in der Woche machen als Sportanfänger, dann ist es kein Wunder, dass ich da schon bald keine Lust mehr drauf habe. Denn genau so habe ich am Ende wieder den Effekt, dass ich total ausgelaugt und fertig bin, aber nicht den Effekt, dass es mir gut geht nach dem Sport und ich mehr Power habe als vorher.
Manche Trainer vertreten ja aber die Meinung: Man muss auch mal über seine Grenzen gehen beim Training. Du musst auch mal leiden müssen, damit es am Ende wirklich effektiv war.
Birgit: Da ist es wieder, mein Lieblingswort “muss”. Ich muss gar nichts. Ich muss überhaupt nichts außer dem, was man eben so “muss”. Aber ich muss bestimmt keinen Schmerz spüren! Es kommt ja immer auf mein Ziel an. Wenn ich mir einfach mehr bewegen will, muss ich mich nicht quälen, sondern bewege mich einfach mehr. Wenn ich einen 10-Kilometer-Lauf laufen will, ist das etwas anderes. Dann habe ich aber bereits eine gewisse Grundfitness – zumindest wäre es sinnvoll, zuerst eine Grundfitness aufzubauen, bevor ich einen 10-Kilometer-Lauf laufe. Dann ist es hilfreich, wenn man mal über seine Grenzen geht. Denn wenn ich mich nicht verändere und nichts am Training ändere, dann bleibt einfach alles so, wie es ist. Es ist eine Frage des Ziels. Bin ich Anfänger und möchte mich mehr bewegen oder abnehmen, dann muss ich mich einfach mehr bewegen. Sobald ich ein sportliches Ziel habe, etwa besser oder schneller werden, muss ich mal über meine Grenzen gehen. Das heißt aber nicht, dass ich gleich wieder in ein Extrem gehen muss! Da reicht es, wenn ich statt 30 Minuten mal 40 Minuten oder statt 8 km/h mal 8,5 km/h laufe. Das reicht schon, um die Grenzen zu überschreiten
Und das kann ganz schön effektiv sein.
Birgit: Genau! Es quält mich aber noch lange nicht. Ich gebe etwas mehr Gas als vorher, aber so, dass es noch Spaß macht.
Über die Expertin
Birgit Engert kommt aus München und begleitet Frauen zu einem echten WOW von ihrem eigenen Spiegelbild. Sie arbeitet gegen Diäten, Verbote und Ernährungsdogmen, dafür mit einer gehörigen Portion Achtsamkeit und Selbstliebe. Alles was sie zu sagen hat und in ihren Coachings nicht los wird, packt sie in ihren Podcast HAPPY TALK.
Ich, Nina, Jahrgang 1986 und Gründerin des Blogs “Ich mach dann mal Sport”, bin Zeit meines Lebens verliebt in Wort und Schrift. Jetzt nehme ich euch mit auf meine Suche nach Motivation und meinen Weg zu mehr Fitness.