Food-Expertin: "Solche Gedanken grenzen bereits an eine Essstörung"

Birgit Engert, Ernährungsexpertin, Frau trinkt Kaffee, Essstörung Ernährungsexpertin Birgit Engert weiß, wie viele Facetten eine Essstörung haben kann - und bietet mit ihren Coachings deshalb effektive Hilfe an. ©Birgit Engert

Wir machen uns viel zu viele Gedanken über das Thema Essen. Oftmals bewusst, in vielen Fällen aber auch unbewusst. So kommt es, dass Essen einen Großteil unseres Lebens beeinflusst – und das weit über die reine Nahrungsaufnahme hinaus. Die Folge: Beinahe jeder von uns entwickelt eine Essstörung. Ernährungsexpertin Birgit Engert erklärt im Interview, worin die Gefahren unserer Ernährungsweisen liegen und warum Bewegung noch wichtiger ist als wir bislang dachten.

Warum setzt du dich so intensiv mit dem Thema Ernährung auseinander?

Birgit Engert: Wissen haben heutzutage sehr viele Menschen, wenn es um das Thema Essen geht. Da stelle ich mir aber die Frage: Was bringt uns dieses Wissen wirklich? Denn eigentlich steht es uns meistens eher im Weg als dass es uns weiterhilft. Deshalb baut meine Arbeit hauptsächlich auf meiner Erfahrung auf – und die durfte ich in den vergangenen 20 Jahren definitiv machen. Ich habe mit 15 meine erste Diät gemacht. Davor hat es mich nicht besonders interessiert, was ich esse. Ich habe einfach gegessen, was mir geschmeckt hat oder was gerade da war: Viel Wurst, viel Fleisch, viel Reis. Auf Sport hatte ich gar keinen Bock, da habe ich mich immer brav hinter der Matte versteckt, wenn der 200-Meter-Lauf im Sportunterricht anstand.

Sport war damals also noch gar nicht so deins?

Birgit Engert: Sport war für mich eine absolute Qual und ich habe überhaupt nicht verstanden, warum man so etwas machen sollte. Irgendwann hat es dann aber den Schalter umgelegt, als meine Mutter mir nämlich gesagt hat, ich hätte ganz schön zugelegt. Sicherlich haben auch noch andere Komponenten mit reingespielt. Ich bin noch immer dabei zu analysieren, was damals wirklich der ausschlaggebende Punkt war. Zum Beispiel war das Elternhaus einer Freundin für mich sehr prägend, in dem es recht streng zuging und in dem es hieß “Erst werden die Teller leer gegessen, sonst steht hier niemand auf!”. Die wirkliche Lösung habe ich noch nicht und vielleicht werde ich sie auch nie finden. Aber das ist auch egal, denn viel wichtiger ist, was ich jetzt mache.

Im Kopf dreht sich alles den ganzen Tag ums Essen

Was genau machst du denn jetzt?

Birgit Engert: Allen Menschen helfen, denen es genau so ging oder geht wie mir. Bei denen sich alles den ganzen Tag im Kopf ums Essen dreht. Genau das ist bei dann damals passiert: Ich habe mich an alle möglichen Tipps und Empfehlungen aus den Medien und aus Zeitschriften gehalten und einfach eine Diät an die andere gehängt. Ich habe Kalorien gezählt, kein Fett mehr gegessen – ich habe das komplette Programm durchgezogen und wirklich alle Tipps befolgt. Denn wenn ich eines konnte, dann war das diszipliniert sein.

Zu dieser Zeit habe ich mit dem Laufen begonnen. Am Anfang bin ich nach nur drei Minuten beinahe umgefallen und habe dann nach und nach weitere Minuten drangehängt an das Training. Schlussendlich bin ich sogar einen Marathon gelaufen und nicht nur einen! Ich habe mein Essverhalten aber völlig auf den Kopf gestellt, indem ich total eingeschränkt habe. Meine Sommer bestanden aus Cola light und Capri-Eis, denn diese Dinge hatten wenig Kalorien. So konnte ich zwar irgendwann bauchfrei herumlaufen und war nach außen total dünn und schön. Innerlich war ich aber einfach nur essgestört und auch nicht glücklich.

Wie ging es dann weiter?

Birgit Engert: Etwa um diese Zeit habe ich mit meinen ersten Job begonnen und der brachte mit schließlich zum Essen: Ich stand nämlich hinter der Wursttheke im Supermarkt. Das sorgte dafür, dass ich ungefähr alles gegessen habe, was mir in die Quere kam und was ich mir alles lange selbst verboten hatte. Ich verlor völlig die Kontrolle und auch meine Disziplin beim Essen. Diese Disziplin eroberte ich mir aber in einem anderen Bereich zurück, nämlich im Sport.

Mit dem Training habe ich das viele Essen wieder kompensiert und so ging es ständig auf und ab: Was ich gegessen hatte, habe ich mir wieder abtrainiert. Während eines Jobs in der Gastronomie etwa habe ich meine Schritte gezählt, mir deshalb einen Kaiserschmarrn gegönnt, bin dann vor lauter schlechtem Gewissen nach der Arbeit sofort in den Wald und zwei Stunden Laufen gegangen.

Im Körper wohlfühlen: Eine schwierige Sache

Da hast du aber einige Extreme ausgelebt!

Birgit Engert: Nur Extreme! Es ging nicht normal. Im Studium ging es genau so weiter. Ich habe wieder in der Gastro gearbeitet, habe studiert, so wenig wie möglich gegessen, so viel Sport gemacht wie nur möglich. Ich bin damals jeden Tag laufen gegangen und habe dennoch nie DIE Figur gefunden, mit der ich mich wohlgefühlt habe. Mittlerweile glaube ich, das war der innere Streik meines Körpers, weil ich einfach nichts gemacht habe, das mir gut getan hat. Sondern nur das, was mir gesagt wurde, was gut für mich sein könnte.

Fühlst du dich heute wohl in deinem Körper?

Birgit Engert: Ja. Heute fühle ich mich zu 99 Prozent wohl. Natürlich gibt es auch mal Tage, an denen es etwas weniger ist als sonst, aber ich fühle mich wohl. Ich fühle mich gut und wenn ich in den Spiegel gucke, sage ich “Wow!”. Genau das ist auch mein Credo, das ich meinen Kundinnen mitgeben möchte: Sie sollten nach meinem Coaching in den Spiegel gucken und ein “Wow!” empfinden. Nicht nur, weil die äußere Silhouette passt, sondern weil sie von innen heraus von sich selbst überzeugt sind.

Bis dahin ist es aber glaube ich ein ganz schön weiter Weg!

Birgit Engert: Bei mir hat es zum Beispiel wirklich lange gedauert, bis ich mich in meinem Körper wohlgefühlt habe.

Eine Essstörung greift früher als wir denken

Ich vertrete ja die Meinung, dass JEDER Mensch eine kleine Essstörung hat. Wie gestört ist denn unser aller Verhältnis zum Essen?

Birgit Engert: Meins war sehr gestört und ich dachte, so wäre das normal. Ich denke, dass es vielen Menschen ähnlich geht, vor allem Frauen. Dass sie denken, es sei normal, was sie da gerade tun. Es ist ja normal, dass man nicht jeden Tag Pizza isst und dass man auf seine Figur achtet, sich im Fitnessstudio anmeldet und fürs Training den Wecker stellt. Ich finde, DAS ist schon ein gestörtes Verhältnis, wenn ich die ganze Zeit denke: “Was muss ich? Was darf ich nicht? Oh, nur kein Eis! Pizza hatte ich gestern schon, dann darf ich heute sowieso keine mehr essen? Darf ich noch einen Nachtisch jetzt oder esse ich lieber weniger, weil ich heute Abend ja noch eingeladen bin?”

Sobald ich all diese Gedanken in meinem Kopf habe, grenzt es meiner Meinung nach an eine Essstörung. Weil es einfach nicht sein muss! Heute mache ich mir nicht mehr den ganzen Tag darüber Gedanken, was ich darf und was ich nicht darf. Ich lebe in den Tag hinein, ich bekomme Hunger, dann esse ich etwas. Wenn ich mir aber den ganzen Tag bei jedem Essen, das ich vor mir habe oder das ich mir vornehme, die Frage stelle: “Darf ich das überhaupt? Soll ich es lieber sein lassen? Wie viele Kalorien hat es? Wie viel Fett?” Wenn ich all diese Gedanken in meinem Kopf habe, dann ist mein Verhältnis zu Essen gestört.

Aber wie kann ich diese Gedanken ausschalten? Kann ich das denn überhaupt?

Birgit Engert: Ich habe es ja auch geschafft. Allerdings hat es 20 Jahre gedauert. Dann habe ich aufgehört, über all das nachzudenken und schau an! Plötzlich hat sich einiges verändert. Mein Körper hat sich verändert, ich habe abgenommen. Ich habe mehr gegessen als vorher und weniger Sport gemacht als vorher und trotzdem abgenommen. Das ist für mich der Beweis, dass es geht, und heute weiß ich auch, WIE es geht. Deshalb bekommen all meine Kundinnen die Abkürzung mit auf den Weg und müssen sich nicht 20 Jahre lang von mir coachen lassen.

Coaching für intuitives Essen

Wie genau sieht denn ein Coaching bei dir aus?

Birgit Engert: Manchmal reicht schon ein Tag, um umzudenken. Deshalb heißt mein Programm auch “OH HAPPY DAY”, das ich entweder an Einzelpersonen oder Gruppen weitergebe. Es hat sich in diesen Kursen gezeigt, wie viele Gedanken im Kopf festsitzen, die man jahrelange blockierende Begleiter mit im Gepäck hatte. Diese Gedanken kann man ganz einfach durch Mentaltraining un auch Kinesiologie auflösen. Manchmal reicht ein Coachingtag aus, manchmal kommen dabei aber erst Themen auf, die einem vorher gar nicht bewusst waren. In diesem Fall empfehle ich, dranzubleiben, mit etwa einem Coachingtermin im Monat und das über sechs oder zwölf Monate. Das klingt nach wenig Aufwand und ist es auch. Aber das, was man damit erreichen kann, ist einfach ein wahnsinniges Ergebnis.

Was lernen deine Kursteilnehmer denn genau durch dein Coaching?

Birgit Engert: Erstmal lernen sie sich selbst kennen. Ich stehe nicht mit einem großen Infokatalog vorne und predige die Nährstoffe von Obst und Gemüse. Sondern ich bringe die Menschen zum Beobachten, zum Sich-selbst-beobachten, reflektieren, zum sich selbst Annehmen. Ich bringe sie dazu, das schlechte Gewissen abzulegen und einen Dialog mit sich selbst zu führen, also mal hinzuschauen: Wie spreche ich eigentlich mit mir? Wie wertvoll bin ich mir selbst? Denn je wertvoller ich mir selbst bin, desto wichtiger ist es mir, Sachen zu essen, die mir gut tun.

Wie lässt sich das aufs Essen anwenden?

Birgit Engert: So viele Menschen essen heutzutage nur Schrott, von dem sie denken, dass er ihnen gut tut, weil irgendetwas draufsteht auf der Verpackung, das ihnen eine lange Gesundheit oder eine gute Figur verspricht. In Wirklichkeit ist es aber der größte Mist, den wir uns da einverleiben und wir achten gar nicht mehr darauf, wie es uns eigentlich geht, wenn wir so etwas essen. Wir essen es einfach, weil wir denken, dass es uns gut tut. Weil der Kopf entscheidet, was ich esse. Die Wenigsten achten aber danach auf ihr Bauchgefühl. Aber vorher nicht. Aber gerade das Gefühl danach ist sehr entscheidend: Wie geht’s mir eigentlich, wenn ich was gegessen habe? Und was macht das Essen mit mir?

Eigentlich ist das System von der Natur ja so vorgesehen, dass ich Hunger habe, weil mein Körper Energie braucht. Dann sollte man was essen und dann sollte man sich eigentlich leistungsstärker fühlen als vorher und wieder Kraft haben! Heute ist es eher so: “Oh, da ist Essen! Das hau ich mir mal rein.” Danach denke ich mir: “Oh nee, das war zu viel, ich muss mich mal hinlegen.” Das muss aber nicht sein. Man kann auch essen und sich danach besser und fitter fühlen.

Essen kann glücklich machen

Also kann essen auch glücklich machen?

Birgit Engert: Natürlich kann Essen glücklich machen! Und zwar wenn ich das esse, was mein Körper gerade braucht. Mein Körper sendet mir Signale, das ist der innere Kompass, die somatische Intelligenz, die wir alle von Geburt an in uns haben. Das kann man gut an Babys beobachten: Wenn sie Hunger haben, werden sie grantig und schreien. Dann geben wir ihnen etwas zu essen und sie sind einfach glücklich, seelig, sie strahlen manchmal – weil ein Bedürfnis befriedigt wurde. Das Bedürfnis war einfach, die Reserven wieder aufzufüllen. Aber wir stillen heutzutage ganz andere Bedürfnisse mit Essen.

Welche Bedürfnisse sind das?

Essen ist in ganz vielen Fällen ein Ventil für Emotionen, die wir sonst nicht rauslassen: Stress, Ärger, Langeweile, Wut, Traurigkeit. All das wird gekappt und wir stopfen Essen in uns rein und meinen, es damit wieder in Ordnung bringen zu können. Wenn ich traurig bin, esse ich eine Tafel Schokolade, dann passt schon alles wieder. Anstatt dass ich schaue, warum ich eigentlich traurig bin! Eine Workshop-Teilnehmerin hatte neulich genau dieses Problem und stellte für sich fest: “Ach, vielleicht sollte ich einfach mal weinen.” Ich fand das so berührend, weil sie all ihre Traurigkeit einfach unterdrückt hat, indem sie Schokolade gegessen hat.

Das ist doch aber eine wirklich wichtige Erkenntnis, oder? Dass man einfach mal alles rauslassen muss, was sich an Gefühlen angestaut hat.

Birgit Engert: Ja, es ist der Wahnsinn! Aber das machen eben so viele Menschen einfach NICHT, dass sie ihren Emotionen mal wieder Raum geben. Gerade den Stress: Es ist eine wahnsinnig hektische Gesellschaft geworden, in der wir heute leben. Natürlich ist es toll, dass wir Internet und Handys haben und es bringt uns ja in vielen Dingen auch Erleichterung. Aber trotzdem schränkt es uns auch in so vielen Dingen ein, nämlich darin, mal wieder zu erkennen, was ich eigentlich gerade brauche. Einfach mal kurz einen Schritt zurückzugehen, abzuschalten und nicht immer nur aufs Vollgas zu treten. Kopf abschalten und sich selbst mal wieder zuhören kann, wie du sagst, Knoten lösen. Und plötzlich purzeln die Kilos von ganz allein.

Wir können Motivation aus dem ziehen, was wir erleben

Kann der Verlust von Gewicht eine Art von Motivation sein? Ohne, dass man gleich wieder in krankhafte Muster verfällt?

Birgit Engert: Klar! Sobald du merkst, dass dir das, was du gerade tust, gut tut und du dich dadurch sogar zum Positiven veränderst, hat es den Effekt, dass du besser mit dir umgehst. Du lobst dich dadurch ja quasi selber. Je besser du mit dir umgehst, desto besser kann dir dein Körper signalisieren, was du gerade brauchst. Dadurch fühlst du dich wertgeschätzt. Je unzufriedener du mit dir bist, desto gemeiner sprichst du mit dir, was wiederum als Auswirkung hat, dass du wieder gemeinere Sachen machst, die dir selbst eigentlich schaden. Man darf auch mal liebevoll und nett zu sich selbst sein – schließlich sind wir der Mensch, der uns am längsten begleitet.

Woher nehme ich denn meine Motivation, nicht nur fürs Essen, sondern auch für den Sport?

Birgit Engert: Ich glaube, es ist der gleiche Ansatz wie beim Essen. Wir haben natürlich einen Bewegungsdrang, das kann man wunderbar bei Kindern beobachten. Bis sie in die Schule kommen, wollen Kinder rennen, spielen, Fahrradfahren, rumtoben und auf den Spielplatz. Bis man sie dann irgendwann festkettet an den Stuhl und sagt: “So, stillsitzen bitte.” Da fängt es bereits an, dass wir in unserem Bewegungsdrang unterdrückt werden, wir uns nicht mehr bewegen dürfen und es verkehrt ist, wenn wir nicht stillsitzen können. Da haben Kindern dann ganz schnell mal ADHS, obwohl sie vielleicht einfach nur ihren natürlichen Bewegungsdrang erhalten haben.

Je weniger wir uns dann im Alltag bewegen, je mehr geht dieser Bewegungsdrang verloren. Der typische Durchschnittsdeutsche, der mit dem Auto ins Büro fährt, in die Tiefgarage rein, mit dem Aufzug nach oben, sich an seinen Schreibtisch setzt, wenn überhaupt sich einen Kaffee und was zu Essen holt, mal aufs Klo geht und dann wieder nach Hause fährt – der schafft zu Fuß lediglich einen Kilometer am Tag. Einen Kilometer. Unser Körper ist aber eigentlich darauf ausgerichtet, 20 Kilometer am Tag zu laufen. Das sind also 19 Kilometer, die wir gehen könnten, weil unser Körper, unser Skelett und unser Muskelaufbau dafür gemacht sind. Früher war das ja auch so! Ganz früher, als wir noch jagen mussten und unser Essen vom Feld geholt haben. Bewegen wir uns aber nicht mehr so viel, führt das dazu, dass wir auch irgendwann gar keinen Bock mehr darauf haben. Ist so ja schließlich ganz bequem. Und so kommen wir in einen Rhythmus, der uns vom Auto in den Aufzug und dann auf die Couch transportiert und jede weitere Bewegung schlichtweg zu viel ist.

Wer Muster durchbricht, kann sein Leben verbessern

Was sollten wir also ändern?

Birgit Engert: Je öfter wir dieses Muster durchbrechen, und sei es nur mit winzig kleinen Aktionen, desto näher kommen wir wieder unserem natürlichen Bewegungsdrang. Ich nehme jetzt mal als Beispiel die absolute Couch Potatoe: Wenn dieser Mensch sich sowas von  diszipliniert dazu entscheidet, ab 1. Januar wirklich dreimal die Woche ins Fitnessstudio zu gehen – also diesmal echt! – dann schafft er das genau eine Woche. Weil die Diskrepanz zwischen “gar nichts tun” und “dreimal die Woche ins Fitnessstudio” einfach viel zu groß ist. Die Bewegung ist viel zu viel, die Pulsfrequenz beim Training viel zu hoch, die Anstrengung viel zu hoch – und so kommt es, dass dieser Mensch nach Hause kommt und völlig fertig ist. Er bekommt Muskelkater und will nie wieder Sport machen.

Sport und Bewegung sind dafür da, dass ich mich danach besser fühle. Nicht, damit ich mit hoch rotem Kopf schwitzend auf dem Sofa sitze und mir denke: “Das mache ich nie wieder.” Das ist nicht der Sinn von Bewegung! Wenn ich mir jetzt diese Couch Potatoe nehme und ihr sage: “Du, fang doch erst mal klein an. Nimm einfach mal die Treppe anstatt den Aufzug und das jeden Tag.” Dann schafft diese Person vielleicht schon mal zwei Kilometer Fortbewegung am Tag.

Wenn sie das schafft, ist das nach einer Woche schon ein ganz schöner Erfolg. Dann lässt sich das Ganze steigern: “Steh’ doch einfach mal einmal in der Stunde auf. Einfach nur hinstellen und wieder hinsetzen”. Das tut bereits etwas für den Bewegungsapparat und sorgt dafür, dass wir nicht einrosten, sondern uns lieber bewegen. Als nächsten könntest du beim Telefonieren mal aufstehen und vielleicht etwas herumlaufen. Dann fährst du mal mit dem Fahrrad in die Arbeit. So integrierst du ganz langsam Bewegung in deinen Alltag. Das ist der erste Schritt raus aus der Faulheitsspirale.

Bewegung im Alltag ist das A und O

So dass es einem eigentlich gar nicht mehr bewusst negativ auffällt, dass man sich bewegen muss?

Birgit Engert: Es darf dir ruhig bewusst auffallen, aber bitte positiv! Es gibt nichts Schöneres, als mit dem Fahrrad durch die Stadt zu fahren, die Umwelt richtig wahrzunehmen, die Vögel zwitschern zu hören, einen Bach fließen zu sehen … das sind so viele Eindrücke, die wir verpassen, wenn wir nur im Auto sitzen oder uns mit der U-Bahn fortbewegen. All das geht mehr und mehr verloren, wenn wir träger, fauler und gemütlicher werden.

Also ab ins Fitnessstudio?

Birgit Engert: Das Laufband im Fitnessstudio ist nun auch nicht gerade das, was uns wieder näher zur Natur bringt und somit für ein Glückserlebnis sorgt. Deshalb bin ich eine absolute Gegnerin davon und sage: “Fang’ erst mal damit an, dich im Alltag zu bewegen!” Es reicht auch ein Spaziergang oder mal zu Fuß einkaufen gehen. Als es früher nicht anders ging, ging das doch auch! Vor allem kann man mit solch einfachen Dingen sofort mit der Umsetzung starten. Meist hab ich ja die Wahl, ob ich die Rolltreppe oder die normale Treppe nehme. Und du kannst jeden Tag aufs Neue sagen: “Ich fange jetzt an!”

Du musst nicht auf den 1. Januar warten. Du brauchst noch nicht mal Sportschuhe oder Geld oder sonst etwas. Du gehst einfach mit deinen zwei Füßen vor die Tür und bewegst dich. Und je öfter man das macht und je mehr man zu Fuß schafft, umso schneller und besser kommt der natürliche Bewegungsdrang zurück. Dann kann ich mir immer noch überlegen: “Was würde mir denn Spaß machen?” Wenn es keinen Spaß macht, dann ist es nicht das Richtige! Der Eine geht lieber Laufen, der Andere Walken oder Schwimmen oder zum Yoga – Angebote gibt’s ja wie Sand am Meer.

Sportanfänger müssen ihren Weg zum Sport finden

Hast du Tipps für Leute, die wirklich als absolute Sportanfänger gelten?

Birgit Engert: Hier sollte man auf jeden Fall auf seine Intuition hören und schauen, was einen überhaupt anspricht und welchen Sport man sich überhaupt als eigene Sportart vorstellen könnte. Dann sollte man sich jemanden holen, der sich damit auskennt, einen Trainer oder Experten. Damit man sich nicht gleich wieder verausgabt und am Ende keine Lust mehr auf Sport hat.

Die meisten Laufanfänger laufen zum Beispiel in einem viel zu hohen Pulsbereich, der bei mir schon fast Marathon-Wettkampf-Tempo wäre. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste das dreimal in der Woche machen als Sportanfänger, dann ist es kein Wunder, dass ich da schon bald keine Lust mehr drauf habe. Denn genau so habe ich am Ende wieder den Effekt, dass ich total ausgelaugt und fertig bin, aber nicht den Effekt, dass es mir gut geht nach dem Sport und ich mehr Power habe als vorher.

Ich will mich nach dem Sport unbedingt gut fühlen, weil es für mich eine Grundbedingung dafür ist, dass ich überhaupt Sport mache. Ich bin ein Bewegungs-Spast und weiß genau: Wenn mir etwas keinen Spaß macht, dann ist der Tatendrang schon morgen wieder vorbei. Was sagst du denn aber zu solchen Trainern, die der Meinung sind: Man muss auch mal über deine  Grenzen gehen beim Training, du musst auch mal leiden müssen, damit es am Ende wirklich effektiv war. Muss man Schmerz spüren, damit das Training gilt?

Birgit Engert: Da ist es wieder, mein Lieblingswort “muss”. Ich muss gar nichts. Ich muss überhaupt nichts außer dem, was man eben so “muss”. Aber ich muss bestimmt keinen Schmerz spüren! Es kommt ja immer auf mein Ziel an. Wenn ich mir einfach mehr bewegen will, muss ich mich nicht quälen, sondern bewege mich einfach mehr. Wenn ich einen 10-Kilometer-Lauf laufen will, ist das etwas anderes. Dann habe ich aber bereits eine gewisse Grundfitness – zumindest wäre es sinnvoll, zuerst eine Grundfitness aufzubauen, bevor ich einen 10-Kilometer-Lauf laufe.

Dann ist es hilfreich, wenn man mal über seine Grenzen geht. Denn wenn ich mich nicht verändere und nichts am Training ändere, dann bleibt einfach alles so, wie es ist. Es ist eine Frage des Ziels. Bin ich Anfänger und möchte mich mehr bewegen oder abnehmen, dann muss ich mich einfach mehr bewegen. Sobald ich ein sportliches Ziel habe, etwa besser oder schneller werden, muss ich mal über meine Grenzen gehen. Das heißt aber nicht, dass ich gleich wieder in ein Extrem gehen muss! Da reicht es, wenn ich statt 30 Minuten mal 40 Minuten oder statt 8 km/h mal 8,5 km/h laufe. Das reicht schon, um die Grenzen zu überschreiten.

Essen kann uns beim Sport unterstützen

Und das kann ganz schön effektiv sein.

Birgit Engert: Genau! Es quält mich aber noch lange nicht. Ich gebe etwas mehr Gas als vorher, aber so, dass es noch Spaß macht.

Gibt es eigentlich Speisen, die uns beim Sport unterstützen können?

Birgit Engert: Ja, wobei ich auch da der Meinung bin, dass jeder Körper unterschiedlich ist und jeder für sich selbst herausfinden muss, was ihm was bringt und was ihm eher schwer im Magen liegt. Ich bin zum Beispiel früher immer mit leerem Magen laufen gegangen, weil ich mal irgendwo gelesen hatte, dass man so mehr Fett verbrennt.

Und ist da was dran?

Birgit Engert: Ich weiß es nicht! Ich kann heute ohne Essen gar keinen Sport machen, weil ich merke, dass mein Puls viel zu schnell nach oben geht. Ich habe so keine Puste, keine Ausdauer, schwitze total schnell. Für mich passt das also nicht. Ich brauche mein Frühstück, warte kurz ab und gehe dann laufen. Anderen hingegen wird schlecht, wenn sie vor dem Sport eine Banane essen. Die sollten vor dem Training dann tatsächlich besser auf Essen verzichten. Manche haben sofort nach dem Sport Hunger – dann bitte etwas essen – andere nicht. Jeder ist und isst unterschiedlich und muss für sich selbst herausfinden, was das Richtige für ihn ist und wie viel davon.

Also erstmal alle Zeitschriften weglegen, in denen steht “In  28 Tagen zum Bikini-Body” oder “Schlank in nur zwei Wochen”. Einfach mal wieder auf sich selbst hören.

Birgit Engert: Genau. Was dabei meiner Meinung nach hilft, ist, dass man trotzdem bewusster isst, bewusster Nahrung auswählt und schaut: Was bietet die Natur eigentlich an Lebensmitteln? Das heißt nicht, dass ich mich komplett natürlich ernähren muss. Es bringt aber etwas, natürliche Lebensmittel in seinen Konsum zu integrieren. Was gibt’s gerade auf dem Markt? Und was hat Saison? Was kommt aus der Region? Das schmeckt meist am besten und ist nicht mit unnötigen Zusätzen wie etwa Zucker vollgestopft. So dass es mir besser bekommt.

Wobei ich auch sagen muss: Ich brauche manchmal Zucker, um einfach Energie zu haben. Ich bin niemand, der Zucker total verteufelt. Das habe ich mal kurz gemacht und mich vom Hype anstecken lassen, davon bin ich aber schnell wieder abgesprungen. Eigentlich ist alles erlaubt – man muss nur auf sich gucken und schauen, ob es so passt.


Über die Expertin

Birgit Engert

©Birgit Engert / HAPPY’N’ESS / Kathrin Stetter

Birgit Engert kommt aus München und begleitet Frauen zu einem echten WOW von ihrem eigenen Spiegelbild. Sie arbeitet gegen Diäten, Verbote und Ernährungsdogmen, dafür mit einer gehörigen Portion Achtsamkeit und Selbstliebe. Alles was sie zu sagen hat und in ihren Coachings nicht los wird, packt sie in ihren Podcast HAPPY TALK

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