Aller Anfang ist schwer? Die große Angst vor dem Scheitern

Angst vor dem Scheitern, Frau Meine Angst vor dem Scheitern kehrt leider immer wieder zurück. ©Nina-Carissima Schönrock/ichmachdannmalsport.de

Ich bin nicht besonders gut im Beginnen von neuen Dingen. Das liegt aber keineswegs daran, dass ich keine Lust hätte oder mich einer Aufgabe nicht gewachsen fühlen würde. Schlimmer: Meine Angst vor dem Scheitern ist einfach viel zu groß. Aller Anfang ist nur so schwer, wie ich ihn mir selbst mache, ich weiß. Das ändert nichts daran, dass ich Neuanfänge nicht besonders gut leiden kann. Gerade jetzt stehen mir so viele Neustarts bevor wie noch nie und die Frage ist: Wie zum Geier schaffe ich es, diese Versagensängste abzulegen?

Neustarts machen mich meist glücklich, versetzen mich aber in Panik

Ich mag es, aus dem Nichts etwas Neues zu erschaffen. Wenn aus einer beiläufigen Idee plötzlich ein durchdachter Plan wird, den es dann in etwas Großes zu verwandeln gilt. Menschen lassen sich dafür begeistern, werden von meinem Enthusiasmus angefixt. Ich arbeite dann mit Freude an etwas, das irgendjemandems Lebens besser oder leichter macht, jemandem Hilfe oder zumindest Unterhaltung bietet. Wie sehr ich die damit verbundenen Gefühle liebe, kann ich kaum ich Worte fassen.

Doch wenn es mich so glücklich macht, Neues zu beginnen, warum habe dann ausgerechnet ich so eine große Angst vor dem Scheitern? Diese Frage quält mich dieser Tage etwas. Denn mir stehen gerade einige solcher Neubeginne bevor. Zum Beispiel war gestern mein letzter Arbeitstag. Mein letzter Arbeitstag vor einer Menge Resturlaub, Mutterschutz und dann Elternzeit. Mindestens 14 Monate lang werde ich mir nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen müssen, ob mich die Tram pünktlich zur Arbeit bringt, ich alle Termine rechtzeitig zur Kita-Schließzeit bewältigt bekomme oder irgendein Kollege vielleicht was Blödes gesagt oder gemacht hat.

Da ist sie wieder, die Angst vor dem Scheitern

Heute starte ich also genau genommen in einen neuen Lebensabschnitt, auf den ich mich schon sehr lange freue und der mir genau in diesem Moment etwas Angst macht. Mit diesem Tag beginnt für mich eine zweimonatige Freizeit, in der ich machen kann, was ich will (und kann. Nicht zu vergessen: Und kann. Der Körper und ich sind nämlich gerade keine engen Freunde.). An Vorhaben und Plänen für diese Zeit mangelt es mir nicht. Allerdings mangelte es mir daran auch schon in den vergangenen Monaten nicht, in denen ich aber quasi zu gar nichts kam, weil ich Tag für Tag abwarten musste, wie es mir überhaupt geht.

So wächst in mir völlig absurder Weise gerade der Druck, dass ich all diese Dinge ja nun machen MÜSSE. Schließlich habe ich jetzt ja alle Zeit der Welt. Freiheit. Wissen. Pläne. Hilfsmittel. Dieser absolut unnötige, selbstgemachte Druck bringt etwas mit sich, das ich nur allzu gut kenne und verabscheue: die Angst vor dem Scheitern. Was, wenn ich das alles nicht schaffe? Wenn ich die Rumpelkammer nicht ausgemistet bekomme bevor das Kind kommt? Was, wenn ich vergesse, die Kliniktasche zu packen? Was, wenn ich nicht genug Blog-Beiträge vorbereitet habe, damit ihr immer was zu lesen habt, auch wenn ich schon gebährend im Krankenhaus oder als Milchkuh auf dem Sofa liegen sollte?

Scheitern bedeutet nicht automatisch Weltuntergang

Ja, was eigentlich? Nichts! Nichts davon hätte in irgendeiner Weise gravierende Auswirkungen auf mich oder mein Leben. Krawallas Papa hat zur Sicherheit bereits stets eine neue Zahnbürste und eine Packung Butterkekse bei sich, für mich. Für den Notfall. Alles andere, was wirklich dringend nötig ist, wäre schnell besorgt. Warum also mache ich mich so verrückt?

Weil ich mich bei jedem Neustart verrückt mache. Geburt des Kindes? Bereitet mir schon jetzt nass geschwitzte Hände. Leben mit zwei Kindern? Davor haben mich qualifzierte ungefragte Ratgeber, nämlich wildfremde Menschen von der Straße, deren drittes Auge es ihnen ermöglicht, mich auch ohne Kennenlernen zu beurteilen, bereits gewarnt. Die grandiosen Pläne umsetzen, die ich noch für diesen Blog habe? Wäre toll, doch der Gedanke daran versetzt mich in Panik.

Was, wenn meine Angst aber gerechtfertigt ist?

Die Rückkehr in meinen Hauptjob ist zum Glück noch so weit weg, dass sie mir egal ist. Die Rückkehr in mein sportliches Dasein jedoch bereitet mir bereits Sorge. Wie sehr habe ich mich darauf gefreut, nach der Geburt endlich wieder Sport machen zu können! So richtig! Nicht nur ein paar Bahnen schwimmen und dann mit Schnappatmung am Beckenrand sitzen. Oder nach zehn Minuten Yoga den Beruhigungstee der Kursleiterin in Anspruch zu nehmen für die verbleibende Stunde. An dieser Stelle möchte ich übrigens eine Runde Applaus an alle Frauen abgeben, die durch ihre Schwangerschaft(en) tanzen wie durch den wöchentlichen Zumbakurs. Ihr seid klasse. Und hoffentlich dankbar. Denn glaubt nicht, dass euer fröhlicher, schmerzfreier Zustand eine Selbstverständlichkeit ist.

Doch zurück zu meinem Vorhaben, wieder RICHTIG Sport zu machen: Ich habe da wirklich große Pläne und hohe Ansprüche an mich selbst und verstoße damit ungefähr gegen alles, was ich all meinen Lesern in meinen ehrlichen und besten Tipps für Sportanfänger rate. Denn: Wenn der Wille da ist, sich wieder mehr zu bewegen, dann wird das schon. Auch wenn es bereits der hundertste Neustart ist.

Die Angst vor dem Scheitern ist uns in die Wiege gelegt

Adam Soboczynski von “Zeit Online” hat mal geschrieben, dass aller Anfang höchstens aufregend ist, aber keinesfalls schwer: “Wer neu anfängt, im Beruf, in der Liebe, mit dem Schlittschuhlaufen oder dem Tennisspielen, mag unbeholfen sein, weil noch nicht jeder Handgriff sitzt, aber dem Anfänger verzeiht jeder fast alles. Aller Anfang ist leicht, niemand erwartet Perfektes.” Das tröstet mich etwas, denn der Mann hat recht: Was wir für Schwäche oder Scheitern halten, ist meist für niemanden so schlimm wie für uns selbst.

Hinter unserer Angst zu versagen steckt die Angst vor Ablehnung, die durch unsere Selbstzweifel und den Drang nach Perfektionismus noch verstärkt wird. Die Angst vor dem Scheitern ist also hausgemachte Panik, die ihre Wurzeln meist in der Kindheit hat. Irgendwann in unserem Leben haben wir die Erfahrung gemacht, dass wir nur gut sind und geliebt werden, wenn wir performen und liefern.

Würde ich meine Eltern damit konfrontieren, würden sie mich vermutlich entsetzt anschauen. Würde mir meine Tochter mit solchen Vorwürfen um die Ecke kommen, wüsste ich tatsächlich auch nicht, wann genau ein Wort hier und da solch einen Schaden angerichtet haben soll. Aber so ist es wohl, da ist sich die Fachliteratur der Psychologie  einig.

Mit diesen Tipps wirke ich meiner Angst entgegen:

1. Jeder scheitert mal bei einem Vorhaben.

Das ist völlig normal! Wichtig ist nur, dranzubleiben und nicht aufgrund eines einzigen Rückschlags bereits aufzugeben.

2. Fehler sind dazu da, dass man aus ihnen lernt!

Wenn etwas nicht gelingt, suchen wir den Fehler schnell bei uns und glauben, wir hätten persönlich versagt. Wichtig ist es in einer solchen Situation aber, dass wir uns vor Augen führen: Warum ist das Vorhaben wirklich gescheitert? War es vielleicht einfach der falsche Zeitpunkt? Waren wir nicht gut genug oder einfach falsch vorbereitet? Haben andere Faktoren eine Rolle gespielt, auf die wir gar keinen Einfluss haben oder hätten haben können? Nur so wissen wir, was wir beim nächsten Versuch anders machen.

3. Was ist unser Ziel?

Je konkreter wir das wissen und formulieren können, desto eher können wir aus einem erfolglosen Versuch ein Learning für uns ableiten. Denn meist gibt es mehr als nur einen Weg zum Ziel.

4. Was wäre das Schlimmste, was passieren könnte?

Bedeutet ein Scheitern für uns wirklich den Weltuntergang oder wären wir einfach nur persönlich von uns selbst enttäuscht? Je mehr wir uns mit unserer Angst vor dem Scheitern auseinandersetzen, desto eher finden wir einen Plan B für uns.

5. Wir schaffen das.

Ist leicht gesagt, stellt die Gleise in unserem Gehirn auf Erfolg. Anders als ein “Ich werde sowieso versagen” oder “Das kann ich niemals schaffen.” Nur mit dem nötigen Selbstvertrauen schaffen wir es näher ans Ziel. Denkt immer daran: Es gibt einen Grund, weshalb wir uns überhaupt in eine Situation begeben, in der wir scheitern können! Sei es ein Bewerbungsgespräch oder die Rückkehr ins Fitnesstraining.

Im Jobinterview sitzen wir, weil unser Gegenüber Interesse an uns hat und aufgrund unserer Bewerbung offentlich bereits einen guten Eindruck von uns und unserem Können hat. Warum also nicht auch wir selbst? Wir wissen schließlich, was wir uns schon alles erarbeitet habe. Wer nach einer Pause zurück zum Sport kehrt, tut sich vielleicht ebenfalls schwer damit, seine “neue Leistung” als einen Erfolg zu verbuchen. Man ist aus der Form und weit entfernt von seinen einstigen Bestmarken.

Doch es gibt viele Gründe, die hier zusammenspielen: Die Gesundheit, die persönliche Geschichte hinter der Pause, die Ernährung, das Alter, … Doch das heißt nicht, dass wir keinen Erfolg mehr haben können. Wir müssen schlichtweg unsere Ansprüche anpassen und realistisch betrachten. Ein erster Erfolg ist es hier aber bereits, dass wir uns überhaupt wieder ans Training gewagt haben! Denn dieser erste Schritt ist bereits ein ganz großer. Das dürfen wir nicht vergessen.

 


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